Rechtstipps

Solidarische Haftung von Ziviltechniker:innen mit anderen Baubeteiligten

In der Praxis kommt es vor, dass beim Bauen gleich mehrere am Bau Beteiligte einen Mangel zu verantworten haben, der zu einem Schaden führt. In solchen Fällen haften regelmäßig alle Verursacher solidarisch („zur ungeteilten Hand“) für den entstandenen Schaden gegenüber dem/r Bauherr:in. Der/Die Bauherr:in kann sich damit aussuchen, ob er die Schadenersatzansprüche von allen, einigen oder einem/r einzigen der Mitschuldner:innen zur Gänze verlangt.

Solidarische Haftung bei der ARGE
Am häufigsten trifft den/die Unternehmer:in eine Solidarhaftung als Mitglied einer Arbeitsgemeinschaft (ARGE). Die ARGE ist rechtlich eine sog. „Gesellschaft bürgerlichen Rechts“, bei der jede:r Unternehmer:in voll umfänglich solidarisch mit den anderen für die Erfüllung der Verpflichtungen der ARGE haftet. Das gilt auch dann, wenn die ARGE-Partner die Arbeiten unter sich aufteilen.

Solidarische Haftung mehrerer Schädiger
Außerhalb von Arbeitsgemeinschaften kennt das Schadenersatzrecht die Solidarhaftung dann, wenn mehrere Personen einen Mangel oder Schaden gemeinsam verursachen oder mitverursachen und nicht festgestellt werden kann, welcher konkrete Schaden durch welche konkrete mangelhafte Leistung des/r jeweiligen Unternehmers/in entstand. Der/Die geschädigte Bauherr:in kann diesfalls alle oder einzelne Solidarschuldner:innen in beliebiger Reihenfolge in Anspruch nehmen (§ 1302 ABGB). Man denke hier etwa an nachstehenden Fall: Mehrere, gemeinsam tätige Bauunternehmer:innen erkennen in vorwerfbarer Weise nicht, dass Vorarbeiten fehlerhaft durchgeführt wurden. Die Bauunternehmen haften dem/r Auftraggeber:in solidarisch für die Verletzung der Warnpflicht. Diese Solidarhaftung kann sich aber auch auf die Verletzung ganz unterschiedlicher vertraglicher oder sonstiger Pflichten gründen: Man denke in diesem Zusammenhang an folgenden Beispielfall: Ein Baumangel wird verursacht durch den/die Architekt:in wegen falscher Planung und durch den/die Unternehmer:in wegen Verletzung seiner/ihrer Warnpflicht. Hätte auch die örtliche Bauaufsicht den Planungs- und Ausführungsfehler im Rahmen der sie treffenden Überwachungspflichten erkennen können, setzte auch diese vorwerfbar eine Ursache, die zum Schaden führte. Die Verursacher:innen sind jeweils aus einem anderen Rechtsgrund für einen Teil des gleichen Schadens oder Mangels verantwortlich. Dem/r Bauherr:innen gegenüber haftet aber jede:r Verantwortliche voll umfänglich für den ganzen Schaden.

Regressansprüche
Ein:e Schädiger:in, der/die dem/r Geschädigten den gesamten Schaden ersetzt, hat gegen die übrigen solidarisch haftenden Schädiger:innen einen Regressanspruch (§ 1302 ABGB iVm § 896 ABGB). Dieser ist nach herrschender Rechtsprechung ein selbständiger Anspruch, der erst nach 30 Jahren verjährt. Die Verjährungsfrist beginnt erst mit der Zahlung durch einen Solidarschuldner zu laufen, was damit begründet wird, dass der Anspruch erst mit der Zahlung entsteht. Eine kürzere Verjährungsfrist wird nur ausnahmsweise dann angenommen, wenn aufgrund des besonderen Verhältnisses der Mit- bzw. Solidarschuldner:innen der Rückersatzanspruch auch als Schadenersatzanspruch zu beurteilen ist, weil die Schädigung des/r Dritten gleichzeitig eine Vertragsverletzung gegenüber dem/r zahlenden Mitschuldner:in ist.

Da es sich bei diesem Regressanspruch laut Rechtsprechung um einen selbständigen Anspruch handelt, hilft es einem/r Solidarschuldner:in nichts, wenn seine/ihre Schuld gegenüber dem/r Auftraggeber:in etwa verjährt ist oder er von dieser unbehelligt blieb. Auch kann ein:e Solidarschuldner:in ein Rückgriff nicht dadurch abwehren, dass er/sie sich mit dem Auftraggeber:in separat verglichen hätte. Ein Schulderlass, der nicht alle Solidarschuldner:innen befreit, bewahrt den/die einzelne:n Begünstigte:n nämlich nicht vor einem Regress.

Umfang des Regresses
Art und Ausmaß dieses Rückgriffsanspruchs richtet sich in erster Linie nach dem zwischen den Mitschuldner:innen bestehenden „besonderen Verhältnis“. Mangels vertragliche Regelung kommt es im Regress zwischen Solidarschuldner:innen im Innenverhältnis auf die Schwere der Zurechnungsgründe an, insbesondere auf das Verschulden (so etwa OGH 22.10.2019, 2 Ob 27/19p). Dabei ist auch die „Wichtigkeit der verletzten Vorschrift“ bzw. der Schutzzweck der verletzten Norm mit zu berücksichtigen. Es ist auch denkbar, dass die Zurechnungsgründe bei einem/r Solidarschuldner:in so gering ausgeprägt sind, dass er im Innenverhältnis nicht zum Ausgleich heranzuziehen ist. Wie groß dieser Anteil im Einzelfall ist, liegt im Streitfall letztlich im Ermessen des Gerichtes.

Regress von Bauunternehmer und ÖBA
Wenn Bauausführungsmängel und Überwachungsfehler der Bauaufsicht (ÖBA) zusammenkommen, geschieht es immer wieder, dass der/die Bauherr:in beide, also sowohl Bauunternehmen als auch ÖBA, gerichtlich in Anspruch nimmt. Auch dies folgt daraus, dass § 1302 ABGB eine solidarische Haftung von Bauunternehmen und ÖBA vorsieht, wenn sich deren Anteile am aufgetretenen Bauschaden – was regelmäßig der Fall ist - nicht bestimmen lassen. Was geschieht, wenn der/die Bauherr:in – aus welchen Gründen auch immer – nur das Bauunternehmen auf Ersatz des erlittenen Bauschadens klagt und dieser dem/der Bauherr:in vollen Schadenersatz zu leisten hat. In einem solchen Fall war lange strittig, ob das Bauunternehmen berechtigt ist, sich bei der ÖBA, welche die Überwachungspflichten verletzt hat, zu regressieren, um wenigstens einen Teil des von ihm bezahlten Schadens einzufordern. Der OGH hat in seinem Urteil vom 18.11.2019, 8 Ob 88/19b, ausgesprochen, dass der Regress des/r Bauunternehmers/in gegenüber der ÖBA durchaus möglich ist, dies etwa bei stark überwiegendem Verschulden der örtlichen Bauaufsicht. Er verwies aber unter einem darauf, dass im Regelfall von der überwiegenden, wenn nicht sogar der alleinigen Haftung des/r Bauunternehmers:in auszugehen ist.

Dr. Volker Mogel, LL.M. EUR.
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